Saar-Forscher wollen computergestützte Methode für individuelle Therapien entwickeln

Die Medizin hat im 20. und 21. Jahrhundert riesige Fortschritte gemacht und viele Krankheiten unter Kontrolle gebracht, die in den Jahrtausenden zuvor tödliche Bedrohungen waren. Dennoch gibt es nicht den einen richtigen Weg, eine Krankheit zu behandeln. Oft verläuft die gleiche Krankheit von Patient zu Patient unterschiedlich, die gängige Therapie, die bei den meisten Patienten anschlägt, bleibt bei manchen wirkungslos. Forscher der Universität des Saarlandes gehen daher gemeinsam mit Kooperationspartnern einen Schritt weiter: Im Forschungsprojekt „XplOit” möchten sie eine computergestützte Methode entwickeln, mit der ein Krankheitsverlauf im Rahmen einer Knochenmarkstransplantation individuell vorhergesagt und eine Therapie auf jeden einzelnen Patienten maßgeschneidert werden kann. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt das Vorhaben für die Jahre 2016 bis spätestens 2021 mit bis zu 5,2 Millionen Euro, davon gehen rund 1,3 Millionen Euro an die Saar-Uni.

Patentverwertungsagentur

Beitrag vom: 15.04.2016

Um eine personalisierte Medizin, von der sich Ärzte und Wissenschaftler viel Erfolg versprechen, in Zukunft umsetzen zu können, müssen die Beteiligten zuallererst riesige Datenmengen zusammentragen, in eine einheitliche Form bringen und systematisch auswerten. Selbstverständlich ist der Datenschutz bei solch sensiblen Informationen wie Gesundheitsdaten ein hohes Gut. Nach der Datenanalyse und der Entwicklung mathematischer Modelle müssen die Erkenntnisse in aufwändigen klinischen Studien auf ihre Vorhersagegenauigkeit hin überprüft werden. Bisher schaffen das aber nur wenige Computermodelle.

Die Partner im Projekt „XplOit” möchten diese Schwierigkeit anpacken. Wissenschaftler aus vielen Disziplinen arbeiten dabei an einer neuen Generation fortschrittlicher Computerwerkzeuge. Mit ihrer Hilfe sollen relevante Patienteninformationen aus unterschiedlichen Datenquellen ausgelesen und in eine spezielle IT-Plattform übergeleitet werden, um dann durch Kombination verschiedener Beurteilungssysteme den individuellen Krankheitsverlauf vorhersagen und entsprechende Therapien einleiten zu können. In allen Schritten werden Datenschutz und Datensicherheit gewährleistet.

Die  „XplOit“-Plattform wird zunächst für mathematische Vorhersagemodelle zur Behandlung nach Knochenmarkstransplantation zugeschnitten. Die Transplantation blutbildender Knochenmarkszellen von Spendern wird beispielsweise zur Therapie verschiedener Formen der Leukämie eingesetzt. Dabei können lebensbedrohliche Komplikationen auftreten, wie zum Beispiel Virusinfektionen oder Abstoßungsreaktionen. Zurzeit ist es noch nicht möglich vorherzusagen, bei welchen Patienten diese Komplikationen auftreten, und lebensrettende Maßnahmen werden oft zu spät eingeleitet.

Das im März 2016 gestartete Verbundvorhaben wird von einem international erfahrenen Team aus den Bereichen Medizin, Pharmazie, Systembiologie sowie Medizin- und Bioinformatik umgesetzt. Es wird vom Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT (St. Ingbert) koordiniert. Informatiker der Klinik für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie am Universitätsklinikum des Saarlandes sind zuständig für Datenschutz und entwickeln Pseudonymisierungstools sowie Teile der IT-Plattform des Systems. Klinische Expertise und Daten werden durch die Klinik für Innere Medizin I – Onkologie, Hämatologie, Klinische Immunologie und Rheumatologie – und das Institut für Virologie des Universitätsklinikums des Saarlandes sowie die Klinik für Knochenmarkstransplantation und das Institut für Virologie des Universitätsklinikums Essen bereitgestellt. Die Entwicklung der Vorsagemodelle erfolgt durch die Klinische Pharmazie der Universität des Saarlandes und das Max-Planck-Institut für Informatik (Saarbrücken). Das Institut für Formale Ontologien und Medizinische Informationswissenschaft der Universität des Saarlandes ist hauptverantwortlich für die Definition der Datenbeschreibung als Grundlage für deren Überführung in die IT-Plattform. Die Firma Averbis (Freiburg) trägt Werkzeuge zur Auswertung von Inhalten aus klinischen Textdokumenten bei.  

Eine Basisversion der „XplOit“-Plattform wird den beteiligten Unikliniken und Modellentwicklern im März 2019 zur Verfügung stehen. Erste prototypische Vorhersagemodelle für die Knochenmarkstransplantationsmedizin werden für Herbst 2019 erwartet.

 

Weitere Informationen und Kontakt:

Juniorprofessor Dr. Thorsten Lehr    
Tel.: (0681) 30270255
E-Mail: thorsten.lehr(at)mx.uni-saarland.de